Sonntag, 16. Februar 2014

26 Games - "O" wie Odin Sphere


Der Games-Blog "Arrcade" hat immer noch die Aktion "26 Games" am Laufen. Also jede Woche ein anderer Buchstabe des Alphabets, der mit mehr oder weniger sinnvollem Textmaterial und Anekdötchen zu Videospielen gefüllt werden darf.
Ich steige mal bei "O" ein, nicht unbedingt der einfachste Buchstabe.
 
O wie "Odin Sphere". Ich würde lieber eine Lobeshymne auf das vielgepriesene Action Adventure "Okami" verfassen, stattdessen schiebe ich jedoch meine "Hassliebe" zu einem wunderhübsch anzusehenden Spiel vor: Odin Sphere. Einer meiner ersten Blogeinträge widmete sich dem Neukauf dieses Titels - und bis heute habe ich das Spiel leider nicht beendet.
2007, genau wie Okami, im Herbst des Konsolenlebens der Playstation 2 erschienen (und in Europa erst knapp ein Jahr später im März 2008), ist Odin Sphere ein 2D-Action Adventure-Rpg-Mix, bei dem Action durchaus groß geschrieben wird. Die kreativen Köpfe dahinter sind die japanischen Entwickler von Vanillaware ("Grim Grimoire", "Muramasa"), deren Markenzeichen weniger ein bestimmtes Spielprinzip als vielmehr ein liebevoll handgezeichnete Look mit definitivem Wiedererkennungswert darstellt. Im Design-Exzess kann das schon mal zu Sexismusdebatten führen, wie in Vanillawares letztem Werk "Dragon's Crown", das letztes Jahr erschien und durch die extrem überzeichneten Animefiguren auffiel: Hexe, Barbarin, Krieger - gewaltige Schenkel und massive Brüste. Odin Sphere ist demgegenüber noch eher zahm und familienfreundlich, allerdings mit einer gar nicht so naiv erzählten Geschichte.

                   Odin Sphere Trailer:
                  

Der erste Eindruck vom Spiel ist zunächst einmal der eines kunterbunten 2D-Adventures, ohne grobe Pixel aber dafür mit fein animierten, den Bildschirmausschnitt großzügig einnehmenden "Sprites", also Spielfiguren. Derer gibt es fünf. Fünf Protagonisten, deren Geschichten nacheinander erzählt werden, mit untereinander verflochtenen, gar nicht so unkomplexen Handlungssträngen. In der (nicht nur aus nordischen Mythen lose zusammengepuzzelten) Märchenwelt Erion ist zwar alles bonbonbunt, aber es herrscht ein brutaler Krieg zwischen dem Königreich Ragnanival unter dem Dämonenkönig Odin und dem Feenreich Ringford. Auf der Jagd nach einem sagenhaften magischen Kessel schickt uns das Spiel zunächst in der Rolle der Walküre Gwendolyn, Tochter des Odin, aufs Schlachtfeld. Später ebenfalls spielbar, und mit anders zu handhabenden Waffen ausgerüstet,  sind der verwandelte Prinz Cornelius, die Feenprinzessin Mercedes, die mysteriöse Velvet und der Schattenritter Oswald. Alle liebevoll im Anime-Stil gestaltet, versteht sich.

Schnell erlernt ist das Kern-Gameplay von Odin Sphere, das sich in erster Linie nach Brawler-Tradition durch den Kampf in 2D-Arenen definiert. Mit der Viereck-Taste wird angegriffen, mit dem Gedrückthalten selbiger geblockt, Spezialattacken über "Dreieck" entfesselt. Viel steckt nicht dahinter, was das Gerangel mit Elfen, Rittern, Untoten aber nicht einfacher macht. Was Odin Sphere besonders ausführlich ausbreitet, ist ein Item-Management- und Alchemiesystem, dessen Nutzung zur Charakterentwicklung unumgänglich ist - hier zeigt sich auch der inhärente RPG-Anteil. Jeder Gegner hinterlässt sogenannte Phosonen, die absorbiert werden können, um z.B. die Waffenstärke zu pushen. Die andere Verwendung dieser durchs Feld schwebenden EXP.-Punkte findet sich beispielsweise in Obstsamen, die man hoffentlich im Inventar bereit hält. 
Verwundet im Kampf? Was gibt es da entspannenderes, als erst einmal den Feindesklüngel zu ignorieren und einen kleinen Apfelbaum zu züchten? Denn aus dem gepflanzten Samen wächst schnell eine Pflanze mit mehreren Früchten, so sie denn die Phosonen der Gegner absorbiert hat. Werden die Früchte dann verzehrt (pflücken, bevor sie vergären!), kann unter anderem die Lebensenergie aufgefüllt werden, wobei als positiver Nebeneffekt gleich auch Maximalenergie steigt. Mampfen fürs Level up. Viele verzehrte Früchte hinterlassen zudem auch Obstkerne, die wiederum erneut eingepflanzt werden können. Schnell kommt es dadurch jedoch zu einem Bruch in der Spieldynamik, hervorgerufen durch Item-Menü-Herumgewurschtel mitten in Kampfsituationen. Und die Kämpfe haben es in sich, denn Hit and Run-Taktiken sind gegenüber wildem Button-Mashing definitiv vorzuziehen. Zwischen den Klopp-Arenen geht es immer wieder auch in ruhigere Areale, in denen gepflegte Konversation (wahlweise japanische oder englische Sprachausgabe) oder Shopping angesagt ist. Zudem können zum schnellen Aufstieg raffiniertere Rezepte im Café/Restaurant ausprobiert werden.
Ich sprach von 2D-"Arenen". Und hier liegt ein Schwachpunkt von Odin Sphere, seine Spielarchitektur, die praktisch nur eine doppelte Illusion darstellt. Leider ist die anfängliche Augenweide der einzelnen Stages in gewisser Weise eine Mogelpackung. Der Weg zum Boss und zur Fortführung der 2D-Echtzeit Zwischensequenzen führt über ein Netz von einzelnen, kreisförmig angelegten Arealen. Das bedeutet, bewegt man sich zum rechten Bildschirmrand hin, vervollständigt sich das Panorama irgendwann wieder. Dieser "Teufelskreis" ist nun gefüllt mit Feinden, deren rasche Beseitigung entsprechend hohe Schulnotenwertungen und damit immer bessere Belohnungen mit sich bringt. Zwar sind diese Arenen und die Sprites, die sie bevölkern, hübsch anzuschauen, aber nach wenigen Minuten hat man grafisch schon jede Ecke eines Levels gesehen. Bildschöne Monotonie. Für ein Action-Adventure wird hier sehr wenig erkundet. Ist Super Mario ein Wanderurlaub, so erinnert Odin Spheres Spielumgebung an Theaterbühnen, lediglich Schaubühnen für das pathosreiche Treiben seiner Figuren. Gleichzeitig sind die Figuren wiederum so schön groß und detailliert, dass sie den Bildausschnitt in einer Weise einnehmen, unter der die Übersichtlichkeit leidet. Darum gibt es am oberen Bildschirmrand eine Art Radar auf dem die Position von Avatar und Gegnern angezeigt wird - Allzuoft rennt man durch Ignorieren desselbigen in Drachenfeuer und andere Übel. Eine nicht sehr stilvolle Lösung, leider.

Darum mein Hadern mit Odin Sphere: Um die Geschichte zu erfahren, muss man sich erst durch viele, viele Stunden monotones, von Wiederholung gezeichnetes Gekloppe mit noch mehr Item-Handel und Gezüchte in langweiliger Kulisse arbeiten. Immerhin lassen sich die bisherigen Story-Sequenzen jederzeit erneut anschauen - so besteht auch für mich noch Hoffnung, nach mittlerweile fast sechs Jahren die Geschichte noch einmal zu einem Ende zu bringen.
Odin Sphere, für viele als Geheimtipp, als vergessene Spieleperle auf der PS2 gehandelt, für mich eher ein wenig überschätzt, hat dennoch seine Tugenden. Die epische, von verschiedenen Perspektiven beleuchtete Geschichte, die phantasievoll gestalteten und fein animierten Figuren und ein grandioser Soundtrack von Final Fantasy Tactics-Composer Hitoshi Sakimoto machen Odin Sphere zu einem doch sehr ungeschliffenen Edelstein der PS2-Spielografie. 

Ps.: Die deutschen Publisher Atlus bzw. Square-Enix dachten übrigens nicht daran, zu kleckern, sondern klotzten auf der Rückseite der Spielepackung: "Ein wahres Meisterwerk, ein Fest der Sinne, ein visuelles Erlebnis: Der Traum aller Spieler, der nur selten auf solch berauschende Weise Verwirklichung findet."

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